Bombenkrater im nördlichen Oderwald – eine Spurensuche

von Peter Heinemeyer
mit einer Vorbemerkung von Lothar Jungeblut.

Vorbemerkung: Gruppen von kreisrunden Strukturen in Wald, Feld und Wiese.

Spuren eines Bombenteppichs im Luftbild. Foto: Heinz-Dieter Freese, mit freundlicher Genehmigung. (Klicken zum Vergrößern)

In der Luftbildarchäologie – ob real aus dem Flugzeug oder virtuell über Google Earth – fallen immer wieder kreisrunde Strukturen auf. Diese erscheinen oftmals in Gruppen. Da muss man dann etwas genauer hinsehen. Es könnte sich um prähistorische Hügelgräberfelder handeln, oder um Bombentrichterfächer aus dem zweiten Weltkrieg – oder etwas ganz anderes.
Der Luftbildarchäologe Heinz-Dieter Freese schrieb mir: „In der Regel sind Bombentrichter kreisrund mit einem schönen dicken grünen Fleck in der Mitte und einem hellen Auswurfring aus schlechter Erde drum herum. Den Fleck würden wir in manchen Fällen liebend gern als zentrale Bestattung mit einem Kreisgraben drum herum deuten. (….) Für bronzezeitliche Kreisgräben sind sie zu klein im Durchmesser.“
Ergänzend zur Luftbildarchäologie gibt es seit wenigen Jahren eine weitere Methode, menschliche Bodeneingriffe – wie alt auch immer – zu entdecken. Die Oberfläche von Niedersachsen wurde sehr detailliert gescannt. Aus den Daten hat das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege eine Grafik (Graustufen-Schummerung) errechnet, die auch geringste Oberflächenstrukturen erkennbar macht. Die Grafik ist für Niedersachsen noch nicht öffentlich verfügbar. Das kommt aber wohl demnächst. Auch hier sind dann wieder Gruppen von kreisrunden Strukturen erkennbar, weniger auf den plattgepflügten Äckern, wo sie die Luftbildarchäologie erkennt, dafür aber umso mehr in Wäldern, wo die Luftbildarchäologie nur wenig erkennen kann. Der Vorteil: Weil es hier um die Messung von Höhenunterschieden geht, kann man klar zwischen Eintiefungen (z.B. Bombentrichter) und Erhebungen (z.B. Grabhügel) unterscheiden.
Peter Heinemeyer machte sich auf die Suche nach Bombentrichtern im nördlichen Oderwald. Vielleicht zögern wir heute noch, diese als „archäologische Befunde“ zu bezeichnen. Warum? Es handelt sich um Bodenzeugnisse von Ereignisgeschichte, die vielleicht Jahrhunderte, Jahrtausende überdauern werden. Bisher sind mir keine heimatkundlichen oder archäologischen Arbeiten zur Analyse von Bombentrichterfächern bekannt. (Gerne Mitteilung an lothar-at-zeitwanderer.de.)

Lothar Jungeblut.

Bombenkrater im nördlichen Oderwald

Übersicht.(Klicken zum Vergrößern)

Als ich zum ersten Mal einen LiDAR-Scan*) des nördlichen Oderwaldes betrachtete, fielen mir sofort einige kreisrunde Vertiefungen auf. – Der Oderwald ist ein südlich von Wolfenbüttel liegender bewaldeter Höhenzug.
In der Literatur fand ich einen Hinweis, dass es sich hierbei um Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg handeln könnte. Diese Bombenkrater haben im LiDAR-Scan einige charakteristische Merkmale:
Sie sind kreisrund.
Sie treten oftmals in Gruppen auf.
Der Erdaufwurf rund um die Einschlagstelle ist kaum ausgeprägt, weil das Erdreich durch die Detonation weit verstreut wurde.
Ihre Ränder sind wegen ihres geringen Alters noch relativ scharfkantig.
Wenn diese kreisrunden Mulden tatsächlich Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg sind, so könnten sie von einem aus dem Norden anfliegenden Flugzeug abgeworfen worden sein. Darauf deuten die Einschlagstellen hin, die sich von Norden nach Süden fächerförmig ausbreiten und die ein insgesamt 10 Hektar großes Areal bedecken. Dieser trichterförmige Bombenteppich wurde vielleicht deshalb von den Alliierten Verbänden abgeworfen, weil sich zu dieser Zeit in unmittelbarer Nähe ein Truppenübungsplatz mit Bunkern befand.
Ich begab mich während der vegetationsarmen Zeit im Winter auf die Suche nach den Bombenkratern. Es handelt sich hier um insgesamt 13 erkennbare kreisrunde Senken mit einem Durchmesser zwischen 4 und 15 Metern. Einige von ihnen sind recht flach mit einer Tiefe von nur 40 Zentimetern. Einige wenige sind stark ausgeprägt und haben eine Tiefe von bis zu 2,5 Metern. Aus dem LiDAR -Scan kann nicht immer herausinterpretiert werden, wie raumeinnehmend sie vor Ort tatsächlich sind.

Typisches Erscheinungsbild eines
Bombenkraters im LiDAR-Scan – hier in zeichnerischer Umsetzung.

Man kann diese Mulden in einem dichtbewachsenen Wald nur sehr schwer erkennen. Einige Male stand ich schon bis auf 10 Meter an einer solchen Senke, ohne dass ich sie im Gelände wahrnahm. Beharrliche Suche und ein Vergleich ihrer Positionen untereinander auf der Karte und im GPS-Gerät versetzen mich schließlich in die Lage insgesamt 8 von ihnen vermessen und abzufotografieren zu können. Von den 13 erkennbaren kreisrunden Senken sind höchstwahrscheinlich einige lediglich Baumfällgruben.
Leider liegen in einigen Kratern Müll, alte Autoreifen, Steine oder Kunststoffabfälle. Wenige Krater befinden sich in einer eingefriedeten Schonung oder zwischen Brombeerzweigen, so dass sie nicht betreten werden können.

Liste der Krater:

Nr. 1:
Durchmesser: 8 Meter, Tiefe: 1,2 Meter; gut zugänglich, liegt direkt am Breiter Weg. Koordinaten: 52.13597; 10.51416
Nr. 2:
Durchmesser: 10 Meter, Tiefe: 0,8 Meter; gut zugänglich. Koordinaten:
52.1353389, 10.5128757
Nr. 3:
Durchmesser: 12 Meter, Tiefe: 2,5 Meter; gut zugänglich. Koordinaten:
52.1348207, 10.5108264
Nr. 4:
Durchmesser: 12 Meter, Tiefe: 2,5 Meter; schwer zugänglich. Koordinaten:
52.134779, 10.5102321
Nr. 5:
Durchmesser: 10 Meter, Tiefe: 0,5 Meter; gut zugänglich. Koordinaten:
52.1339375, 10.5122715
Nr. 6:
Durchmesser: 15 Meter, Tiefe: 2 Meter; gut zugänglich. Koordinaten:
52.1349569, 10.5144902
Nr. 7:
Höchstwahrscheinlich kein Bombenkrater wg. seiner geringen Größe (Durchmesser: 4 Meter, Tiefe: 0,4 Meter) und schwachen Ausprägung; gut zugänglich. Koordinaten:
52.1348961, 10.514639
Nr. 8:
Durchmesser: 12 Meter, Tiefe: 2,5 Meter; gut zugänglich. Koordinaten:
52.1321347, 10.5161145
Nr. 9:
Durchmesser: 10 Meter, Tiefe: 1 Meter; gut zugänglich. Koordinaten:
52.1337551, 10.5146473
Nr. 10:
Durchmesser: 10 Meter, Tiefe: 1 Meter; gut zugänglich. Koordinaten:
52.13414, 10.51483
Nr. 11:
Nicht untersucht; prägnanter Bombenkrater; nicht zugänglich in einer Schonung liegend
Nr. 12:
Nicht untersucht; höchstwahrscheinlich kein Bombenkrater wg. seiner geringen Größe
Nr. 13:
Nicht untersucht; höchstwahrscheinlich kein Bombenkrater wg. seiner geringen Größe
Leider konnte ich meine Untersuchungen nur auf einen kleinen Bereich des nördlichen Oderwalds beschränken, weil mir keine weiteren LiDAR-Scan-Daten vorliegen. Man kann aber davon ausgehen, dass es im Oderwald noch weitere Bombenkrater gibt. So hatte mir ein Bodeneigentümer im vorletzten Jahr berichtet, dass er sein südlich des Oderwalds gelegenes Land vom Kampfmittelräumdienst auf Blindgänger untersuchen ließ. Dabei wurden noch etliche davon gefunden und mussten entschärft werden. Deshalb kann angenommen werden, dass es im Oderwald durchaus noch zündfähige Blindgänger geben könnte – als noch für die Zukunft gefährliches Erbe des Zweiten Weltkriegs.

Abbildungen:

Senken in der Natur lassen sich nur unzureichend abfotografieren. Laub und Zweige tragen auf Grund ihrer amorphen Textur dazu bei, dass das menschliche Auge lediglich eine undifferenzierte Fläche ohne räumliche Tiefe wahrnimmt. Aus diesem Grund habe ich sogenannte „Kreuzblick-Bilder“ von einigen Kratern erstellt, die es dem Betrachter mittels einer bestimmten „Schiel-Technik“ ermöglicht, diese Bilder in ihrer räumlichen Tiefe zu erfassen.

Kreuzblick-Bild von Krater Nr. 2. (Klicken zum Vergrößern)
Kreuzblick-Bild von Krater Nr. 8. (Klicken zum Vergrößern)
Auf dem Grund von Krater Nr.6 stehend, zur Veranschaulichung der Dimensionen. (Klicken zum Vergrößern)

Peter Heinemeyer.

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*) LiDAR-Scan (Light Detection and Ranging, Airborne Laser Scan) ist eine Darstellung der Bodenoberfläche unter Herausrechnung der Vegetation. Auf diese Weise lassen sich bei einer hochauflösenden Darstellung Wege, Wälle, Bebauung, Aushub, Gräben usw. erkennen, die durch menschliche Einflüsse entstanden sind. Dies gilt vor allem für dicht bepflanzte Wälder, in denen menschliche Bebauungsspuren in der Regel nicht wahrgenommen werden.

Literaturhinweis / Impressum:

Bodendenkmäler unter Wald im LiDAR-Scan; Digitale Handreichung für Forstbedienstete; Themen der Hessenarchäologie Band 6; Autoren: Sabine Schade-Lindig, Bernd Steinbring; ISBN: 978-3-89822-706-3

Texte, Zeichnungen und Bilder: © Peter Heinemeyer 2021.