Die zeitliche Ordnung der Dinge
Chronologie und Altersbestimmung der Isiburg *)
(Teil 1)
von Wolf-Dieter Steinmetz.
► Einleitung, Absicht, Ziel
► Methoden der relativen Altersbestimmung
► Keramiktypochronologie für die Isiburg
► Methoden der absolute Altersbestimmung
► Das Ergebnis: Die zeitliche Ordnung der Isiburg
► Die Perspektive
► Literatur
Finales Ziel eines Archäologen ist es, seine Befunde und Funde in den zeitgleichen regionalen und auch überregionalen politisch-kulturellen Zusammenhang zu stellen, für die Isiburg konkret also zu fragen, welche Stellung sie im regionalen und überregionalen Vergleich einnimmt. Nur so bekommt sie ihre historische Bedeutung, wird ihr kausaler Zusammenhang mit dem Geschehen ihrer näheren und weiteren Umgebung erkennbar, wird sie ein sinnvoller Teil von Geschichte. Was wären die Erkenntnisse der Ausgrabung wert, wenn man sie zeitlich nicht einordnen könnte? Wenig!
Der wichtigste Schritt bei der wissenschaftlichen Bearbeitung der Befunde und Funde muss es also sein, eine „zeitliche Ordnung der Dinge“ zu erstellen, ihr Alter möglichst genau zu bestimmen. Nur so wird die Stellung der befestigten Siedlung im politischen, gesellschaftlichen, siedlungskundlichen, wirtschaftlichen und ggf. religiösen Wirkungsgefüge der näheren und weiteren Umgebung erkennbar.
Für die Isiburg können wir inzwischen beispielsweise weitgehend gesichert sagen, dass die Gründersiedlung und die 5 Ausbauphasen der Befestigung in der jüngeren Bronzezeit und der frühen Eisenzeit bestanden haben, also zwischen 1200 und 600 v. Chr. zu datieren sind.
Woher wissen wir das so genau? Was ermöglicht uns diese genaue Datierung für eine Zeit, in der es in Mitteleuropa noch keine schriftliche Überlieferung und damit auch keine Chroniken gab? Der Weg dahin soll im Folgenden erläutert werden – oder zumindest soll dies versucht werden, denn der Weg und vor allem die stets notwendige Quellenkritik sind nicht immer leicht zu verstehen und ebenso wenig leicht zu erklären. Wer Mühe hat den Ausführungen zu folgen, kann sich an der Tabelle Abb. 13 orientieren, die die Ergebnisse der folgenden Ausführungen optisch zusammenfasst und den nicht so involvierten Leser durch die zahlreichen Begriffe und Zahlen navigieren kann.
Methoden der relativen Altersbestimmung
Die einfachste und in der Regel erste Möglichkeit zur Datierung ist über eine Altersansprache der geborgenen Fundobjekte gegeben. Sie kann bei günstigem Fundaufkommen bereits auf der Ausgrabung erfolgen.
Die Methode, wir nennen sie Typochronologie, geht davon aus, dass sich Dinge permanent ändern – in Form, Gestaltung, Machart, Verzierung, Funktionalität. Schmuck, Waffen, Arbeitsgeräte und Tongeschirr lassen sich unendlich vielfältig gestalten, funktionalen Anforderungen und modischen Vorstellungen sowie regionalen Vorlieben anpassen.
Die Merkmale dieser Veränderung wurden in den Jahrhunderten des Bestehens der archäologischen Wissenschaften registriert und in eine zeitliche Abfolge gebracht, durch ihre Lage in Schichtenfolgen beispielsweise (Stratigraphie). So entstand im Frühtau unserer Wissenschaft z. B. das älteste bekannte Gliederungssystem der Urgeschichte in eine Stein-, Bronze- und Eisenzeit. Dieses erste System konnte bis zum heutigen Tag natürlich um zahlreiche weitere Epochen, Perioden, Stufen, Phasen und Horizonte erheblich erweitert werden.
Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, dass diese typologischen Entwicklungslinien natürlich nicht global, sondern mehr oder weniger regional differenziert u./o. zeitlich versetzt abgelaufen sind. Um das heutzutage wenigstens einigermaßen überblicken zu können, müssen sich Fachleute zunehmend spezialisieren, aber das ist in anderen Fachdisziplinen ja auch nicht anders.
Ohne Wandel gäbe es diese Möglichkeit der Datierung nicht. Man stelle sich vor, Arbeitsgeräte, Waffen, Schmuckstücke, Tongefäße würden sich über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende nicht verändern, eine konkrete historische Einordnung wäre nicht möglich. Andererseits: Je schneller sich der Wandel vollzieht, desto differenzierter lässt sich die chronologische Gliederung und damit das historische Geschehen abbilden.
Aber Vorsicht! Nicht alle Objekte unterliegen diesem Wandel. Vorratsgefäße z.B., die in einfacher Form ihren funktionellen Zweck erfüllten, brauchten keinen modischen Strömungen angepasst werden. Sie konnten über lange Zeit hinweg gleich bleiben. Der Repräsentationsanspruch von Tafelgeschirr fordert hingegen geradezu eine Anpassung an modische Strömungen und den ästhetischen Geschmack.
Wird also auf einer Ausgrabung, z. B. in Isingerode, nun ein Fund gemacht, welcher typische Merkmale aus der chronologischen Gliederung der Sachkultur aufweist, kann man diesen einordnen und damit zeitlich bestimmen. Vielfach besonders gut geht dies in der Bronze- und Eisenzeit mit Metallobjekten und in einigen Kulturgebieten auch mit Keramik. Auf Ausgrabungen in jungbronze- und eisenzeitlichen Siedlungen sind es vor allem die Scherben von Tongefäßen, weil diese häufig zu Bruch gehen, so in den Boden gelangen, und sich dort besonders gut erhalten. Metallgegenstände sind hingegen wertvoller und werden seltener in den Siedlungsschichten zurückgelassen.
In Isingerode ist es deshalb vor allem die Keramik, die Scherben zerbrochener Tongefäße, die in großen Mengen im Fundmaterial vorkommen und die zu einer ersten Altersbestimmung herangezogen werden können. Objekte aus Bronze sind hingegen erheblich seltener und auf der Isiburg kaum mit typologisch genauer verwertbaren Merkmalen versehen.
Ein wichtiges Anliegen der Aufarbeitung war dabei zunächst die Überprüfung und Konkretisierung der in den Vorberichten genannten typochronologischen Ansprache der Funde, insbesondere aber auch ihre Einordnung in den gesicherten stratigraphischen Zusammenhang, was auf der Grabung selbst nicht immer möglich war. Für die Altersbestimmung der Befunde ist die genaue Fundlage der datierbaren Objekte aber von entscheidender Bedeutung (Abb.2).
Die Keramik der Isiburg trägt die typischen Merkmale der weitverbreiteten sogenannten Lausitzer Kultur, sie kann problemlos in den für diese bekannten Typenkatalog eingeordnet werden. Sie lässt sich gerade über die gleichartige Ausprägung und Entwicklung ihrer Keramik definieren und erkennen. Darüber hinaus trägt unsere Keramik Merkmale der Saalemündungsgruppe, einer Regionalausprägung der Lausitzer Kultur, zu der die Isiburg kulturell zu stellen ist. Es ist aber auch anzumerken, dass mein geschätzter Kollege Immo Heske von der Universität Göttingen, der seit vielen Jahren das weitgehend gleichalte befestigte Zentrum auf der Hünenburg bei Watenstedt erforscht, hier anderer Auffassung ist. Er hält die Saalemündungsgruppe für eine eigenständige Erscheinung, die nicht zur Lausitzer Kultur zu rechnen ist. Tatsächlich scheint sich die Tonware der beiden Fundorte in einigen Punkten zu unterscheiden, was vielleicht mit überregionalen Einflüssen zu erklären ist, bei chronologischen Betrachtungen aber zu berücksichtigen wäre – eine weitere interessante Fragestellung für die Zukunft.
Außerdem ist bei der Einordnung von Funden in die stratigraphische Abfolge, in Isingerode die Schichtenabfolge von Wallaufträgen, Elementen der Befestigungsmauern und den aufliegenden Zerstörungsschichten einiges zu beachten (Abb.3). Grundsätzlich erfolgt die Schichtenablagerung vom älteren unten zum jüngsten oben. Beim Wallauftrag können aber leicht Teile des älteren Walles oder der darunter liegenden Kulturschicht der Gründersiedlung mit in den jüngeren Bauhorizont gelangen und das Ergebnis verfälschen. Der Laufhorizont einer längeren Nutzungsphase kann auch Objekte unterschiedlicher Zeitstellung enthalten. Bei dicht übereinander oder sogar aufeinander liegenden Schichten kann es zu Vermischungen kommen. Durch die Planierung der Zerstörungshorizonte kann ebenfalls vieles vermischt werden. Auch jüngere Eingriffe von oben in die älteren Schichten können, wenn sie nicht erkannt werden, zu Irritationen führen. Grundsätzlich gilt: eine Schicht kann nicht älter sein als das jüngste in ihr gefundene Objekt – außer ein Kleintier hat seinen Bau in die Tiefe getrieben und jüngere Funde mit nach unten verlagert! Alles schon gehabt!
Keramiktypochronologie für die Isiburg
Das Fundensemble der Isingeroder Keramikfunde ließ sich wie dargestellt nahezu uneingeschränkt in den Typenkatalog der Lausitzer Kultur einordnen. Bei Beginn der Aufarbeitung zeigte sich aber sehr schnell, dass deren zahlreiche auf Grabfunden basierenden stark differenzierten typologischen Gliederungen (SEGER 1926. – GRÜNBERG 1943. – COBLENZ 1952. – v. BRUNN 1954. – BREDDIN 1978. – BUCK 1989. – PUTTKAMMER 2008 u.v.a.) kaum sinnvoll auf Siedlungskeramik anwendbar war.
Es wurde deshalb auf Grundlage der bisher erarbeiteten Systeme eine stark vereinfachte, klassischen Grundsätzen folgende, modifizierte Unterteilung in 4 Stufen mit einer Übergangsstufe entworfen und zugrunde gelegt:
- Stufe 1: sogenannte Buckelkeramik (späte Mittlere Bronzezeit)
- Stufe 2: senkrecht und schräg kannelur-, rillen- und riefenverzierte Ware, Jüngere Bronzezeit (Abb.4)
- Stufe 2/3: Übergangsphase, in der sich die Merkmale von Stufe 2 + 3 stark überlappen und eine Trennung deshalb nicht möglich ist.
- Stufe 3: waagerecht riefen- und rillenverzierte Ware, Späte Bronzezeit (Abb.5)
- Stufe 4: Ware mit Dellen-, Sparren- und Dreiecksverzierung, Frühe Eisenzeit (Abb.6)
Diese vereinfachte Gliederung hat sich für Isingerode bewährt, sie spiegelt sich in der hiesigen stratigraphischen Abfolge sehr gut wider. Dabei ist anzumerken, dass es Funde der Stufe 1 entgegen früheren Angaben in Isingerode nicht gibt (STEINMETZ 2008, S.14 und Abb.12). Der Irrtum lag in der falschen typologischen Ansprache einiger Tonscherben aus der Schicht der Gründersiedlung.
Eine verfeinerte chronologische Abfolge könnte vielleicht durch die Seriation der keramischen Funde in einer Kombinationstabelle erarbeitet werden. Das Prinzip beruht darauf, dass Objekte, die in einem sogenannten geschlossenen Fund, zum Beispiel einem Grab oder einem Hort, gleichzeitig niedergelegt wurden, natürlich auch ungefähr gleichalt sind (zum besseren Verständnis vergleiche Abb. 7). Ein stark vereinfachtes Beispiel: findet sich ein Objekt A zusammen mit einem Objekt B in einem Befund, waren beide im Alltag nebeneinander im Gebrauch. In einem anderen Befund findet sich Objekt B nun zusammen mit einem Objekt C, dürften auch diese nebeneinander existiert haben. Nie aber findet sich Objekt A mit Objekt C. A und C waren also wohl nicht gleichzeitig im Gebrauch – in der Kombinationstabelle ergibt sich eine Abfolge. Jetzt braucht nur noch die zeitliche Richtung durch andere Befunde, zum Beispiel durch Stratigraphien oder formal-funktionale Entwicklungen festgelegt werden.
Natürlich ist dieses Beispiel extrem vereinfacht. Meistens erfolgen die Phasenbildungen mit sehr viel mehr Objekten, manche langlebigen Typen laufen über mehrere Phasen hinweg. Eine quellenkritische Überprüfung ist sowieso immer notwendig. Von der Isiburg liegen nur vereinzelt geschlossene Befunde im engeren Sinne vor, denn Siedlungs- und Zerstörungsschichten gehören streng genommen nicht in diese Kategorie. Sie können über längere Zeiträume aufgebaut werden, die Schichtenfolge kann durch die alltägliche Durchtretung vermischt werden. Auf der Isiburg wurden die Schichten insbesondere durch die schnellen Bau- und Zerstörungsfolgen aber sehr schnell abgedeckt, könnten also eingeschränkt für eine kombinationsstatistische Seriation verwendet werden. Diese Methode wurde hier bisher noch nicht angewendet, weil das riesige Fundmaterial bisher noch nicht komplett aufgenommen ist. Das eine solche Analyse durchaus gute Ergebnisse bringen kann, hat Immo Heske für die Wallschichten der Hünenburg bei Watenstedt gezeigt (HESKE 2006, 79) (Abb.7). Dieses Beispiel zeigt aber auch, dass man bei der Typenchronologie von Siedlungskeramik mit starken Überschneidungen rechnen muss.
Die Erstellung einer Typochronologie für die Isiburg ermöglicht nicht nur die Einordnung in das Chronologiesystem der Lausitzer Kultur, sondern auch eine Parallelisierung mit den benachbarten großen Kulturgebieten, der südmitteleuropäischen Urnenfelderkultur und dem norddeutsch-südskandinavischen Kreis der Nordischen Bronzezeitkultur (vergleiche Tabelle Abb. 13), was für unseren nächsten Schritt wichtig wird.
Methoden der absoluten Altersbestimmung
Wahrscheinlich ist es den meisten Lesern längst aufgefallen, bisher ging es vor allem um die Einordnung der Befunde von Isingerode in eine zeitliche Abfolge, sei es in die innere Gliederung der vorhandenen Stratigraphie, sei es in die Abfolgen benachbarter vergleichbarer Fundplätze, sei es in die regionalen und überregionalen kulturhistorischen Chronologien – es ging also um die Erstellung einer relativen Chronologie.
Welches reale Alter aber, angegeben in konkreten Kalenderjahren, haben diese Schichten nun eigentlich konkret?
Schriftliche Aufzeichnungen und Chroniken, die uns Jahreszahlen übermitteln, gibt es für unser Gebiet während der Bronze- und Eisenzeit nicht, wohl aber für viele mediterrane Kulturen. Hier behilft sich der Archäologe zunächst mit der sogenannten historisch-komparativen Methode. Diese geht von Fundobjekten aus, die in der zu datierenden Kultur oder Fundstelle fremd sind (Abb.9).
Im Burgwall von Isingerode haben wir in der späten Stufe 3, aus der 4. Brandschicht, beispielsweise Importfunde aus der süddeutschen Urnenfelderkultur **), die in der dortigen Chronologie in die Stufe B 2-3 zu stellen sind. In dieser finden sich wiederum Importe aus italischen und mykenischen Kulturen, welche ihrerseits durch Importe und auch Exporte aus Ägypten, der Levante und Mesopotamien verbunden sind. Die letztgenannten Kulturen haben nun die gesuchten und erhofften Kalenderchronologien, die eine vergleichsweise genaue absolute Datierung ermöglichen und diese Altersangaben über die Import-Exportkette auf dem geschilderten Weg bis nach Isingerode zurücktragen (die klassische und immer noch weitgehend gültige Arbeit dazu: MÜLLER-KARPE 1959). Danach datiert einer der Bezugsfunde aus Isingerode, die Tonscherbe eines mit Graphitton überzogenen, verzierten Gefäßes, ins 9.-8. Jhdt. v. Chr. Da die Zerstörungsschicht, in der die Scherbe gefunden wurde, zum 4. Befestigungsbau und damit an das Ende dieser Nutzungsphase gehört, ist die Zerstörung ins 8. Jhdt. v. Chr. zu stellen.
Natürlich muss eine so gewonnene Datierung quellenkritisch betrachtet werden. So kann ein ägyptischer Import im mykenischen oder italischen Kulturbereich eine lange Herstellungs- und Nutzungszeit gehabt haben, wodurch der mögliche Datierungszeitraum erheblich auseinandergezogen werden kann. Gleiches gilt genauso für die anderen Stationen. Damit können auf dem langen Weg aus dem mediterranen Raum erhebliche Verschiebungen entstehen. Inzwischen sind diese Verbindungen durch zahlreiche Nachweise erheblich besser belegt und sichern die historisch-komparativen Daten wesentlich genauer ab. Trotzdem gibt es in der aktuellen Fachdiskussion für den für uns wichtigen Zeitraum der Jüngeren Bronze- bis Frühen Eisenzeit immer noch Abweichungen von bis zu 50 Jahren – also keine Verwirrung, liebe Leser, wenn Sie in der archäologischen Literatur die Chronologietabellen studieren. 50 Jahre +/- für die Datierung 3000 Jahre alter Kulturen ist eigentlich gar nicht schlecht. Selbst die Daten der historischen Chroniken der orientalischen Hochkulturen divergieren noch teilweise um mehrere Jahrzehnte.
Verifizieren, widerlegen oder auch verwirren können die historisch gewonnenen Daten auch Altersbestimmungen durch naturwissenschaftliche Methoden. Am bekanntesten und gängigsten ist die C-14-Bestimmung von organischen Fundmaterialen aus archäologischen Befunden. Die Methode beruht auf der physikalischen Messung der Zerfallsrate radioaktiven Kohlenstoffes in abgestorbenen Organismen. Die Messergebnisse müssen durch zahlreiche Bearbeitungsschritte verifiziert werden, die heutzutage nur noch von physikalisch geschulten Archäologen erklärt werden können. Wichtig ist zu wissen, dass am Ende eine mehr oder weniger breite, statistisch begründete Datierungsspanne der Probe steht, innerhalb derer mit einer gewissen, in Prozenten angegebenen Wahrscheinlichkeit das historische Alter liegt. Also nicht unbedingt genauer als die historisch-komparative Datierung! Auch muss das Ergebnis quellenkritisch diskutiert werden. Passt der ermittelte Datierungszeitraum mit der aufgrund des Befundes erwarteten chronologischen Einordnung überein? Ist er gegebenenfalls zu verwerfen, liegt ein Fehler in der archäologischen Beobachtung vor? Oder, auch mal positiv, bestätigt die C-14-Datierung die archäologische Einordnung? Für Isingerode liegen 3 Messungen vor, die dankenswerterweise von Frau Dr. Elisabeth Schnepp, Bergakademie Leoben, veranlasst und aus ihren Projektmitteln finanziert wurden. Eine der Datierungen, aus der 3. Brandschicht entnommen, ist mit 1431-1258 BC (93,1%) viel zu alt. Archäologisch ist der Befund in das 10 Jhdt. v. Chr. zu stellen. Diese Probe kann also auf jeden Fall verworfen werden. Die beiden anderen Messungen stimmen hingegen mit den archäologischen Vorgaben überein (s. oben Abb.1).
Die genaueste Datierung erreicht man mit der dendrochronologischen Methode (Abb.10). Diese beruht darauf, dass das durchschnittliche Klima Jahr für Jahr wechselt, was das Dickenwachstum von Jahresringen bei Bäumen beeinflusst. So bildet ein Baum über Jahre hinweg eine Sequenz unterschiedlich breiter Jahrringe aus. Durch Überlappung der Sequenzen von immer älteren Hölzern konnte man eine Referenzkurve erarbeiten, die heute bis zum Ende der letzten Eiszeit zurückreicht. Findet man nun in der Ausgrabung ein Holz, kann man versuchen dessen Jahrringsequenz in die Referenzkurve einzuhängen und damit idealerweise eine fast jahrgenaue Datierung erhalten. Voraussetzung zur Anwendung dieser Methode ist natürlich, dass entsprechende Holzfunde in der Ausgrabung auch vorhanden sind. Und daran scheitert es meistens, denn Hölzer mit einer qualitativ ausreichenden Jahrringfolge sind hier sehr selten.
Auf der Isiburg ist dies anders. Die verkohlten Hölzer der Wehrmauer mit einer Kantenlänge von bis zu 25 cm böten für diese Methode vermutlich gute Voraussetzungen. Aber auch hier konnten derartige Messungen aus finanziellen Gründen bisher nicht durchgeführt werden. Aber natürlich wurden entsprechende Proben geborgen und für bessere Zeiten konserviert, stehen also für zukünftige Forschungen weiterhin zur Verfügung (Abb.11).
Eine weitere Methode zur Altersbestimmung u.a. von gebranntem Ton und also auch von Keramik ist die Thermolumineszenz. Beim Brand wird die im Kristallgitter der Keramik gespeicherte Radioaktivität auf 0 gestellt. Bei der Lagerung im Boden beginnt sich die Radioaktivität wieder aufzuladen. Wird eine Tonscherbe nach Auffindung wieder auf über 500° erhöht, entweicht die seit Ablagerung gespeicherte radioaktive Strahlung. Aus der abgestrahlten Menge, dem „Leuchten“, kann das Alter des ursprünglichen Brennvorganges gemessen werden. Besonders günstig für archäologische Belange, eine möglichst zeitnahe Datierung, sind dabei Tonscherben, die unmittelbar vor oder bei der Einlagerung gebrannt, also auf null gestellt wurden. Das trifft in Isingerode vor allem auf Tonscherben zu, die in den Zerstörungsschichten beim Brand sekundär gebannt wurden. So sind sie für eine Datierung des Zerstörungshorizontes besonders geeignet. Allerdings ist die Methode noch sehr aufwendig und die Messergebnisse ungenau (RENFEW + BAHN 2009, S.120f.). Frau Dr. Schnepp von der Bergakademie Loeben hat sich dankenswerterweise bereiterklärt, solche Messungen für uns zu veranlassen. Dafür haben wir aus jeder Schicht 10 Scherben zur Verfügung gestellt (Abb.12). Auf die Ergebnisse sind wir gespannt.
Schließlich ist die Archäomagnetik zu nennen (SCHNEPP 2007). Die Methode ist noch im Aufbau befindlich durch die bereits genannte Physikerin Dr. Elisabeth Schnepp. Hier konnten wir mit unseren Proben Unterstützung leisten. Die Methode beruht darauf, dass der magnetische Erdpol sich in der Zeit ständig veränderte. Wird eisenhaltiges Sediment gebrannt, wird die gerade herrschende Magnetausrichtung darin festgeschrieben. Ein geeignetes Probenmaterial sind zum Beispiel die Reste der abgebrannten Wehrmauern. Der Tonverputz enthält Eisen, dessen Elementarmagneten sich zum Zeitpunkt des Brandes auf den magnetischen Nordpol ausgerichtet haben. Durch Aufbau einer Referenzkurve der Ausrichtungen durch die Zeiten soll es einmal möglich werden, Brandhorizonte von archäologischen Fundorten zu datieren. Die gut datierten Brandhorizonte von Isingerode bieten hier gute Referenzpunkte. Schon heute ermöglicht die Methode einen Vergleich mit anderen Fundorten. Insgesamt wurden in den Schichten der Isiburg über die Jahre 8 verwertbare Proben genommen. Frau Dr. Schnepp hat zugesagt, zu gegebener Zeit einen Beitrag darüber hier in den Newslettern beizusteuern.
Fußnoten:
*) Der Titel ist geklaut (vom Kollegen Claus-Michael HÜSSEN 2002)! Aber er ist so passend und anschaulich, dass mir dies verziehen sei.
Die originale Bezeichnung des Burgwalles ist „Schwedenschanze“. Eine derartige topographische Bezeichnung wird normalerweise nicht verändert, auch wenn dies zu Missverständnissen bei Funktionsbestimmung und Datierung verleiten kann.
Als neutrale und vor allem zuweisbare Bezeichnung hatte sich auf der Ausgrabung der Kosename Isiburg eingeschlichen – m. E. nicht optimal aber identifikationsstiftend, eingängig und gut zu händeln. Da nicht historisch generiert, in kursiv gesetzt.
**) Die Importfunde von der Isiburg sollen in einem zukünftigen Newsletter ausführlich behandelt werden.
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