Die zeitliche Ordnung der Dinge
Chronologie und Altersbestimmung der Isiburg
(Teil 2)
von Wolf-Dieter Steinmetz.
► Das Ergebnis: Die zeitliche Ordnung der Isiburg
► Die Perspektive
► Literatur
Das Ergebnis: Die zeitliche Ordnung der Isiburg
Die aufgrund der dargestellten Methoden für die Siedlung und den Burgwall von Isingerode ermittelte historische Entwicklung und kalendarische Datierung stellt sich aktuell folgendermaßen dar (Abb.13). Aufmerksamen Wegbegleitern wird dabei auffallen, dass sich gegenüber der ersten chronologischen Einordnung von 2008 einiges geändert hat – die Forschung schreitet eben voran!
Die Isiburg wurde um 1200 v. Chr. oder kurz danach als noch unbefestigte Siedlung gegründet. Die Keramikfunde gehören in unsere Typenstufe 2. Die früher einmal geäußerte Einordnung in die Stufe 1 und damit ins 13. Jhdt. v. Chr. beruhte auf einer falschen Ansprache einiger Tonscherben (STEINMETZ 2008, S.14). Die Gründersiedlung dürfte nach dem Gesamtbefund noch relativ klein gewesen zu sein.
Sie scheint danach schnell gewachsen zu sein, denn bereits 1-2 Generationen später, um 1150 v. Chr., wurde sie erstmals mit einem Befestigungsring umgeben. Zu dessen Errichtung muss sicherlich eine größere Bevölkerung vorausgesetzt werden. Auch diese Phase gehört in die Keramikstufe 2. Die Anlage wurde durch Brand zerstört. Die Datierung wird durch ein C-14-Datum gestützt: Erl-14040 = 1135-922 BC, 95,4% .
In die gleiche Keramikstufe gehört auch noch die zweite Befestigungsphase. Somit verteilen sich die Gründersiedlung und die beiden ersten Befestigungsbauten auf etwa 8 Generationen oder 200 Jahre. Rein arithmetisch wurden die neuen Wehrbauten um 1075 v. Chr. errichtet. Auch diese Befestigungsanlagen wurden durch Brand großflächig zerstört.
Auf dem Brandschutt der Vorgängerbauten wurde im 10. Jhdt. v. Chr. eine neue, die nunmehr dritte Befestigung errichtet. Die keramischen Funde gehören in die Übergangsstufe 2/3. In diesem Jahrhundert wird der alte Keramikstil noch weitergeführt, gleichzeitig treten erstmals Typen der Stufe 3 auf. Die Datierung dieser neuen Stilgruppe wird seit neuestem besonders gestützt durch die dendrochronologischen Datierungen der Ausgrabungen von Louis Nebelsiek im Kemberger Burgwall sowie die von diesem vorgelegte wertvolle Zusammenstellung weiterer Dendrodaten für die Stufen 2/3 und 3 (NEBELSICK + SWIEDER 2018).
Im 9. Jhdt. v. Chr. (Stufe 3) wird schließlich die bis dahin mächtigste, vierte Befestigungsanlage errichtet. Auch diese Bauphase endete wie die Vorgängerbauten in einer verheerenden Brandkatastrophe. In dieser Phase gibt es nur noch Keramik der Stufe 3. Die Datierung des Mauerbaues wird durch ein weiteres C-14-Datum bestätigt: Erl-14039 = 1001-820 BC, 84,5%. Erste Anklänge von Keramik der Stufe 4 aus der Brandschicht lassen vermuten, dass die Zerstörung der Wehrbauten am Übergang zur frühen Eisenzeit um oder kurz vor 700 v. Chr. erfolgte.
Danach erfolgte ein grundlegender Umbau der gesamten Anlage. Der Befestigungsring wurde nach außen vor den Wall der bisherigen Wehranlagen verlegt. Geht man von der sehr einheitlichen Verfüllung des Grabens mit viel Keramik der Stufe 4 aus, wurde diese Bauphase im 7. Jhdt. v. Chr. errichtet und relativ schnell mit Siedlungsmüll verfüllt.
Bald danach, wohl spätestens gegen 600 v. Chr., wurde die befestigte Siedlung aufgelassen***). Eine genauere Enddatierung gibt die Typochronologie der Keramik nicht her. Eine Interpretation dieser letzten Nutzungsphase fällt schwer, weil in deren Bereich bereits eine starke Oberflächenerosion stattgefunden hat. Aber auch diese Bauten scheinen in einer heftigen Brandkatastrophe untergegangen zu sein.
Mit der ungefähren Kenntnis der Untergangszeit der befestigten Siedlung kann man jetzt auch Überlegungen zu den Ursachen der Auflassung machen. Ein lokales Ereignis, ein Machtkampf zwischen benachbarten Zentren wird es nicht gewesen sein, denn auch die Hünenburg bei Watenstedt, der Burgberg bei Röderhof und viele andere vergleichbare Anlagen trifft in diesem Zeithorizont das gleiche Schicksal, überregionale Ereignisse sind also wahrscheinlicher. Im 6. Jhdt. v. Chr. ist ein Vordringen auswärtiger Kulturen, von Westen die Nienburger Kultur, von Norden die Jastorfkultur zu beobachten. Wurde die alt eingesessene Gesellschaft, vielleicht sogar die gesamte Bevölkerung mit ihren wirtschaftlichen und politischen Strukturen dadurch verdrängt? Für die Zerstörung der befestigten Siedlung von Kemberg wurde jüngst die alte These eines Skythensturmes wiederbelebt (NEBELSIEK 2017, S.43). Auch eine erhebliche Verschiebung der Verkehrswege oder eine deutliche Klimaverschlechterung wurden angeführt. Vielleicht fallen mehrere der möglichen Ursachen zusammen.
Derartige historische Überlegungen sind nur möglich, weil wir mit der genauen Datierung der Bau- und Siedungshorizonte der Isiburg den zugehörigen historischen Raum betrachten können. Die „zeitliche Ordnung der Dinge“, die dezidierte, bisweilen mühselige und langweilig erscheinende chronologische Bearbeitung des Fundmaterials ist dafür Voraussetzung.
Die Perspektive
Chronologie und Datierung des Burgwalles „Schwedenschanze“ ist inzwischen in den Grundzügen weitestgehend gesichert. Die Bearbeitung ist damit aber nicht abgeschlossen. Verfeinerungen des Systems sind immer möglich. Eigentlich reichen zwei C-14-Messungen je Bauhorizont nach heutigem Standard nicht aus, mindestens zwei pro Bauhorizont wären hinsichtlich der Bedeutung der Anlage angemessen, davon jeweils 1 Probe aus Tierknochenmaterial. Dafür hat sich bisher aber kein Sponsor gefunden. Noch konkreter könnte eine dendrologische Bestimmung der Bauhölzer ausfallen. Probenmaterial dafür wurde natürlich eingesammelt, aber gleiches Finanzierungsproblem. Schließlich sind wir auf die avisierten Thermolumineszensdaten gespannt. Archäologisch kann nach Abschluss der Keramikbearbeitung eine kombinationsstatistische Analyse vielleicht weitere Gesichtspunkte beisteuern.
Fußnote:
***) Jahrhunderte später wurde der Platz erneut aufgesucht. In einer der Verfüllschichten des inneren Grabens fand sich Keramik einer ganz anderen Epoche. Dies wird Thema einer der kommenden Folgen sein. Ebenso traten in der Wallschüttung einzelne Scherben mit charakteristischen Merkmalen der späten Jungsteinzeit auf. Hierbei handelt es sich allerdings um umgelagertes Material, das nicht für die Datierung der Anlage herangezogen werden kann.
Literatur
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Zur chronologischen Gliederung der Lausitzer Gruppe.
In: Veröffentlichungen des Museums für Ur- und Frühgeschichte Potsdam 23, S.75-95. - COBLENZ, Werner 1952:
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Dresden. - EGGERS, Hans Jürgen 1959:
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Sammlung Piper. Ergebnisse und Probleme moderner Wissenschaft.
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In vielen Punkten natürlich völlig veraltet, aber für die klassischen Methoden immer noch gültig und vor allem sehr gut verständlich und anschaulich beschrieben. - FRECHEN, Manfred 2004a:
Physikalische Altersbestimmung mit der 14C-Methode.
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Begleitband zur Sonderausstellung, S. 106-109. - FRECHEN, Manfred 2004b:
Physikalische Altersbestimmung von Artefakten und Sedimenten mittels Lumineszenz-Datierungsverfahren.
In: Mamoun FANSA, Frank BOTH, Henning HASSMANN (Hrsg.): Archäologie|Land|Niedersachsen – 400 000 Jahre Geschichte,
Begleitband zur Sonderausstellung, S. 109-114. - GRÜNBERG, Walter 1943:
Die Grabfunde der Jüngeren und Jüngsten Bronzezeit im Gau Sachsen.
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Der Burgwall von Kemberg, Ldkr. Wittenberg. Eine dendrochronologisch datierte spätbronze-/früheisenzeitliche Befestigung am Südrand der Elbaue bei Wittenberg.
In: Harald MELLER + Louis D. NEBELSICK (Hrsg.), Über den Wallrand geschaut. Der Kemberger Burgwall und sein bronze- und eisenzeitliches Umfeld, S.51-118.
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Ausführliche Darstellung moderner Methoden, Theorien, Ausgrabungstechniken und Auswertungsansätze. In mehreren Passagen für Laien aber schwer verständlich, dazu eine Reihe umstrittener historischer Interpretationen. - SCHNEPP, Elisabeth 2007:
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Die archäologischen Ausgrabungen auf dem Burgwall von Isingerode 2006-2008, Informationen und Berichte des Braunschweigischen Landesmuseums 2/2008, Braunschweig 2008.
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