Isingerode Forschungen Newsletter 3 (Teil 2)

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was … erforschen!

(Teil 2)
von Wolf-Dieter Steinmetz.

► Hierarchische Strukturen, soziale Differenzierung
► Völkerkundliche Analogie
► Konflikt, gewalttätige Auseinandersetzung, Krieg
► Grau ist alle Theorie
► Mainstream
► Und sonst?
► Ein empfehlenswertes Museum
► Quellen und Nachweise

Hierarchische Strukturen, soziale Differenzierung

Das eigentliche Thema der AG-Tagung Bronzezeit! Selbstverständlich und gerade für unser spezielles Thema von besonderem Interesse: Welche Vorstellungen von gesellschaftlicher Hierarchie und sozialer Gliederung innerhalb eines so komplexen Gebildes wie einer befestigten Zentralsiedlung kann man begründet annehmen? Am Anfang standen einige Grundsatzreferate (heute als „keynotes“ bezeichnet) von zum Thema ausgewiesenen Fachleuten (KRISTIANSEN 2019. – BARTELHEIM 2019. – SCHOPPER 2019). Für einen traditionell ausgerichteten Archäologen war es beruhigend und sehr befriedigend zu registrieren, dass die alten methodischen Ansätze zur Herausarbeitung von gesellschaftlichen Strukturen immer noch die bewährtesten sind:

  • Bewertung des Beigabenreichtums und der Beigabenzusammensetzung in Gräbern als Ausdruck hierarchischer, aber natürlich auch sozialer Unterscheidungen, vom Fürstengrab über Elitengräber hin zu Krieger-, Handwerker-, Händler-, Priestergräber bis zu solchen einer einfachen Bevölkerung
  • Einbeziehung der aufgewandten Arbeitsleistung bei der Errichtung der Grabstätte in die Betrachtung zur gesellschaftlichen Bedeutung des Bestatteten.
  • Ein gewaltiger Arbeitsaufwand als gesellschaftlicher Indikator ist sicherlich insbesondere auch bei der Errichtung der Befestigungswerke der Zentralsiedlungen zu berücksichtigen, welcher bisweilen ganze Gemeinschaften gebunden haben muss. Die Errichtung von der Planung, der Organisation, der Durchsetzung und der Ausführung des Bauvorhabens erscheint ohne einen entsprechenden Herrschaftswillen und einen hierarchisch straff gegliederten Bautrupp nicht denkbar.
  • Befestigte Zentralsiedlungen mit einer hohen Bevölkerung, Handels- und Marktfunktionen, diversen Handwerksgilden, vermutlich auch religiös-kultischen Stätten und einem sicher nicht zu unterschätzenden landwirtschaftlichen Bereich kamen ohne eine hierarchisch straff gegliederte Gesellschaftsstruktur mit politischer Herrschaft, einer entsprechenden Verwaltung und zahlreichen sozialen Gruppierungen sicherlich nicht aus.
  • Hortfunde schließlich lassen, allerdings nur bedingt, weil im Einzelnen in der Deutung umstritten, ebenfalls Interpretationen zur gesellschaftlichen Differenzierung zu. Horte mit wertvollen Materialien wie Gold, Bernstein oder exotischem Import, die sich nur ganz wenige innerhalb einer Sozialgemeinschaft leisten konnten, weisen auf entsprechende Eliten hin, Priester- oder Priesterinnenornate aus Edelmetall werfen einen Aspekt auf die Stellung und Bedeutung dieser Gruppierung.

Völkerkundliche Analogie

Ein weiterer, nicht uninteressanter Ansatz, dieses Themenfeld anzugehen, ist der ethnologische Analogieschluss. Hierbei wird in völkerkundlichen Kulturen die Gesellschaftsstruktur beschrieben und mit entsprechenden Zuständen in urgeschichtlichen Gruppierungen, hier der Bronzezeit, verglichen. Was bei dieser Methode häufig sträflich vernachlässigt wird, ist aber gerade der Punkt „entsprechende kulturelle Zustände“. Einfache Ackerbaukulturen mit „zivilisatorisch“ doch schon recht fortgeschrittenen Kulturen wie die in der mitteleuropäischen Bronzezeit zu vergleichen ist sicherlich wenig gewinnbringend. Der einzige Beitrag zu diesem Methodenansatz beschäftigte sich, eigentlich nicht überraschend, wiederum mit ethnographischen Beispielen von Gemeinschaften, die ihre Siedlungen durch Befestigungen schützen (REYMANN 2019). Wegen einer wichtigen Parallelveranstaltung konnte ich diesen Vortrag leider nicht anhören. Er sei hier aber angesprochen, weil ein ähnlich thematisierter Aufsatz des Vortragenden kürzlich publiziert wurde (REYMANN 2018). Die Ausführungen basieren auf einem Teilbereich des oben bereits angesprochenen LOEWE-Projektes. So sinnvoll der angestrebte Weg scheint, so enttäuschend sind (zurzeit noch?) die subjektiv ausgewählten Beispiele, weil sie für unsere spezielle Fragestellung kaum relevant sind. Hier hoffen wir auf die zukünftigen Erträge.

Konflikt, gewalttätige Auseinandersetzung, Krieg

Bei der Behandlung von Themenbereichen wie Hierarchien und befestigten Zentralsiedlungen kommen Aspekte wie gewalttätige Auseinandersetzungen oder sogar Krieg unweigerlich in die Diskussion. Aber allein schon die häufig ideologisch geführte Diskussion um die Definition der Begriffe, vor allem von Krieg, kann eine ganze Tagung sprengen. Eine einfache und für unsere Zwecke gut anwendbare wäre: „Krieg ist eine geplante und organisierte bewaffnete Auseinandersetzung zwischen politischen Einheiten“ (OTTERBEIN 1968,278. – Zitiert nach HELBLING 2006,34).

Abb. 6: Übereinanderliegende wiederholte Zerstörungs- und Brandschichten im Befestigungswall der „Schwedenschanze“ von Isingerode.
Abb. 7: Bronzezeitliches Felsbild von Tanum-Vitlycke (Schweden), möglicherweise den Kampf von Beilkriegern um eine Grenzlinie darstellend (nach ALMGREN 1934).

Nach all den bisher aufgeführten Belegen kann nach dieser Definition unzweifelhaft von Krieg zumindest in der jüngeren Bronzezeit ausgegangen werden. Dass unsere befestigten Zentralsiedlungen politische Einheiten repräsentieren, ist kaum anders vorstellbar. Dass es um diese Plätze bewaffnete Auseinandersetzungen gegeben hat, belegen mehr als deutlich die zahlreichen Zerstörungs- und Brandschichten in vielen der Befestigungswerke. (Abb. 6). Dass die mächtigen Wehranlagen nur durch geplante und organisierte Aktionen überwunden werden konnten, ist ebenfalls klar. Seit den allbekannten Befunden des Schlachtfeldes vom Tollense-Tal (zuletzt wohl: TERBERGER / JANTZEN / KRÜGER / LIDKE 2018) sind die Diskussionen sowieso obsolet – sie haben lediglich völlig andere Dimensionen angenommen, denn man muss nun von regelrechten gelenkten Schlachten großer Kampfverbände ausgehen.

Aber eigentlich war das ja auch vorher anhand traditioneller Quellen schon gegenwärtig. Waffengräber und auch Waffenopfer haben immer schon auf das Vorhandensein einer Kriegerelite hingewiesen. Friedhofskonfigurationen (FALKENSTEIN 2019b) und Mooropferfunde weisen auf Kriegerbünde bzw. ein Gefolgschaftswesen hin. Die besondere Stellung von Schwertgräbern zeigt zudem innerhalb der Kriegereliten eine zusätzliche hierarchische Gliederung. Eine übergeordnete Führungspersönlichkeit ist vorauszusetzen („Fürst“, „Kriegshäuptling“, „Kleinkönig“, what ever). Nordische Felsbilder von Kampf- und regelrechten Schlachtszenen sind als weitere Nachweise aufzuführen (HORN 2019). Dabei werden offensichtlich sogar Kämpfe um Grenzlinien abgebildet. (Abb.7).

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