von Peter Heinemeyer
Privatfriedhöfe sind ein Anachronismus. Es dürfte sie eigentlich nicht geben. Strenge Landes-Verordnungen, der Friedhofszwang und hygienische Standards machen es heutzutage schwer, Angehörige außerhalb gemeindeeigener oder kirchlicher Friedhöfe zu bestatten. Früher war es üblich, dass die Verstorbenen aus adligen oder großbürgerlichen Familien auf eigenen Begräbnisarealen bestattet wurden, die sich in unmittelbarer Nähe zum herrschaftlichen Anwesen (Gutshof oder Schloss) befanden. Insofern handelt es sich hierbei um Relikte der jüngeren Geschichte.
In und um Wolfenbüttel gibt es nur noch wenige erhaltene Begräbnisplätze dieser Art. Jeder von ihnen hat seine eigene Geschichte, die unmittelbar mit den Schicksalen seiner Besitzer verknüpft ist. Privatfriedhöfe haben einen besonderen Charakter: Ihre Fläche ist oft ungewöhnlich klein und sie liegen in unmittelbarer Nähe zum Anwesen der Besitzer. Die meisten sind zugänglich, aber einige verbergen sich vor fremden Blicken. Auf den meisten werden immer noch Bestattungen vorgenommen. Aber einige werden nur noch aus Denkmalschutzgründen erhalten.
Besuchern ist es oft nur mit Einschränkungen gestattet sie zu betreten, weil sie zum einen auf Privatgrund liegen und weil dort zum anderen die Wegesicherung eingeschränkt sein könnte, wenn bspw. Grabeinfassungen oder alte Grüfte einsturzgefährdet oder Grabsteine nicht standsicher sind. Ein weiterer Grund ist, dass diese Plätze in erster Linie als Rückzugsorte für die trauernden Angehörigen bestimmt sind. Man wünscht dort nicht gestört zu werden und reagiert verständlicherweise verärgert, wenn fremdes Publikum unangemeldet eindringt.
► Grablege der Familie Reineke in Groß Stöckheim
► Grablege der Familie Wätjen in Halchter
► Grablege der Familie Löbbecke in Dorstadt
► Grablege der Familie Lüntzel in Nienrode
► Grablege der Familie Wätjen in Altenrode
► Grablege der Familie Bennecke in Kissenbrück (Schlosspark Hedwigsburg)
► Grablege der Familie von Münchhausen in Groß Vahlberg
► Grablege der Familie von Kalm in Groß Denkte
Grablege der Familie Reineke in Groß Stöckheim
In Groß Stöckheim auf dem Grundstück des ehemaligen Schriftsassenhofs von 1605 am „Leiferder Weg“ befindet sich eine Familienbegräbnisstätte der Familie Reineke. Dem ersten Besitzer des Hofes wurde 1609 das Schriftsassenprivileg vom Herzog eingeräumt. Schriftsassen waren höhere Beamte, die juristisch ausgebildet waren und im Dorf Recht sprechen durften. Heute wohnt die Familie Reineke auf dem Anwesen, die ursprünglich aus Fümmelse stammend, diesen Hof seit vielen Generationen bewirtschaftet. Der Garten dieses Schriftsassenhofs wurde einst im Barock-Stil angelegt. Reste dieser Gestaltungsmerkmale sind heute noch zu erahnen, unter anderem an der noch erkennbaren Mittelachse, die den Garten einst aufteilte. Die Verlängerung dieser Sichtachse nach Süden zielt genau auf die Begräbnisstätte. Auf ihr befindet sich nur ein einziges Grab, nämlich jenes der ersten Ehefrau vom Großvater des Besitzers, die 1922 im frühen Alter von 29 Jahren an einer Lungenerkrankung verstorben ist. Für nachfolgende Belegungen hatte die Kommune keine Erlaubnis mehr erteilt (möglicherweise wegen des niedrigen Grundwasserspiegels), so dass es nur bei dieser einen Bestattung geblieben ist, obwohl das Areal für insgesamt acht Grabplätze ausgelegt wurde. Heute ist nur noch ein halboffener Andachtsraum aus Beton an der Friedhofs-Südseite im Stil der frühen 1920er Jahre von der Straße aus zu erkennen. Vandalismusschäden, Wildwuchs und Rückbaumaßnahmen an der ursprünglichen Anlage gefährden den Erhalt dieser Anlage. Der Besuch ist nur mit Erlaubnis des Eigentümers gestattet!
Grablege der Familie Wätjen in Halchter
Erst bei einem Gespräch mit dem Eigentümer habe ich erfahren, dass es an der Westseite des Gutshauses der Familie Wätjen einen kleinen Friedhof gibt, auf dem sich eine oder mehrere Urnen verstorbener Angehöriger befinden. Dieses Areal darf nicht besucht werden!
Grablege der Familie Löbbecke in Dorstadt
Auf dem Grundstück des ehemaligen Klosters in Dorstadt befindet sich westlich der alten Kirchenruine ein kleiner Friedhof. Darauf wurden die Angehörigen der Familie Löbbecke bestattet. Dieser Friedhof ist von außen nicht einsehbar und er hat eine lange Geschichte: Das ehemals katholische Kloster Dorstadt war in dieser Region der einzige Ort, an dem von 1189 bis 1802 die katholische Bevölkerung ihre Verstorbenen bestatten durfte. Zwischenzeitlich gab es immer wieder Abschnitte, in denen das Kloster vom protestantischen Glauben dominiert wurde. Der Besuch des Friedhofs ist nur mit Erlaubnis des Eigentümers gestattet!
Grablege der Familie Lüntzel in Nienrode
Dieser Friedhof liegt auf dem Gebiet der Stadt Salzgitter und in unmittelbarer Nachbarschaft zum Landkreis Wolfenbüttel. Um 1100 war das Gut Nienrode bereits eine dorfartige Ansiedlung. Bis zum 14. Jahrhundert gehörte die Nienroder Flur zum Kloster Dorstadt. Unter Napoleon wurden um 1800 alle kirchlichen Besitztümer eingezogen und Nienrode 1802 an die Hildesheimer Familie Lüntzel, in deren Besitz es sich heute noch befindet, verkauft. Der damalige Besitzer gründete eine Ziegelei und richtete das Gutshaus von 1780 neu her. 1928 wurde das Gut Nienrode nach Salzgitter-Ohlendorf eingemeindet. Dieser Friedhof ist von außen nicht einsehbar. Um zu ihm zu gelangen, muss man erst den Gutshof durchschreiten. Er ist für 12 bis 15 Bestattungsplätze ausgelegt. Das älteste Grab stammt von 1872, die jüngste Bestattung erfolgte 2007. Anlässlich der 200-Jahrfeier des Gutshofes wurde der kleine Familienfriedhof renoviert. Der Besuch ist nur mit Erlaubnis des Eigentümers gestattet und es gilt ein absolutes Fotografierverbot!
Grablege der Familie Wätjen in Altenrode
Das Rittergut Wätjen in Altenrode prägt noch heute diese Siedlung in der Samtgemeinde Schladen. Entstanden ist das Dorf im Mittelalter als Vorwerk zum Kloster Heiningen, um dies mit Lebensmitteln und Gütern zu versorgen. Um 1800 wurde das Gut von der Bremer Kaufmannsfamilie Wätjen erworben. Die Familie Wätjen legte in unmittelbarer Nähe zum Gut um 1830 einen kleinen Friedhof an. Auf ihm liegen Angehörige und ehemalige Mitarbeiter, die einst auf dem Gut beschäftigt waren, bzw. deren Angehörige. Das älteste Grab stammt von 1830. Der Besitzer gibt seinen Beschäftigten oder deren Angehörigen immer noch die Möglichkeit sich auf diesem idyllischen kleinen Friedhof bestatten zu lassen. Er enthält fast 30 Grabstellen, ist damit aber noch nicht voll ausgelastet. Der Friedhof ist frei von der Kreisstraße 83 aus zugänglich. Eine Besucheranmeldung beim Besitzer ist nicht erforderlich.
Grablege der Familie Bennecke in Kissenbrück (Schlosspark Hedwigsburg)
Auf dem Grundstück der Parkanlage des ehemaligen Schlosses Hedwigsburg wurde 1884 am südöstlichen Bereich ein kleiner Friedhof angelegt. Dies geschah unter dem damaligen zweiten Schlossherren, dem Fabrikdirektor Graberg. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss durch Bombenangriffe zerstört. Seitdem wurde der Schlosspark mehrmals umstrukturiert. Seit einigen Jahren ist der Park für die Öffentlichkeit als Naherholungsgebiet frei zugänglich. Der Friedhof liegt schwer zugänglich versteckt am Waldrand. Auf ihm befinden sich 12 Grabstellen. Das älteste Grab stammt von 1884. Es erfolgten auch Nachbestattungen in jüngster Zeit. Einige Gräber wurden durch Sturm- und Vandalismusschäden in Mitleidenschaft gezogen. Es gibt mehrere Gedenksteine zu jeweils unterschiedlichen Familen- Gräbergruppen (Familie Graberg, Familie Bennecke und Angehörige). Der Friedhof ist frei zugänglich. Eine Besucheranmeldung beim Besitzer ist nicht erforderlich.
Grablege der Familie von Münchhausen in Groß Vahlberg
Direkt neben der Kreisstraße 513 zweigt links vom südlichen Ortseingang Groß Vahlbergs ein kleiner Weg in westlicher Richtung ab. An diesem Weg liegt ein kleines Wäldchen und darin befindet sich der Friedhof der Familie von Münchhausen. Seit 1776 ist das große Gut am südlichen Ortseingang im Besitz derer von Münchhausen. Auf dem kleinen Friedhof befinden sich acht Grabstellen, das älteste Grab stammt von 1895. Der Friedhof ist frei zugänglich. Eine Besuchsanmeldung beim Besitzer ist nicht erforderlich.
Grablege der Familie von Kalm in Groß Denkte
Auf dem Rittergut Groß Denkte am südlichen Ortseingang, direkt an der Bundesstraße 79, befindet sich eine Familienbegräbnisstätte der Familie von Kalm. Das Gutshaus, um 1853 erbaut, liegt in einem englischen Landschaftspark, an dessen Grundstücks-Südrand ein Mausoleum steht. Seit 2006 wurde mit der Durchforstung des Landschaftsparks begonnen, so dass das Gesamtensemble mit dem Mausoleum besser zur Geltung kommt. Der Besuch ist nur mit Erlaubnis des Eigentümers gestattet!
Quellen:
Die Informationen zu den Privatfriedhöfen stammen fast ausschließlich von deren Besitzern. Text und Zeichnungen: Peter Heinemeyer